Alter(n) als Zukunftsunternehmung (ZAL)
Alter(n) als Zukunftsunternehmung(ZAL)
Bedingungen alternsbezogenen Risiko- und Grenzmanagements in der mittleren und nachberuflichen Lebensphase
Kurzzusammenfassung
Wie beeinflussen unterschiedliche Quellen des Wissens über Alter und Altern das persönliche Bild des Alterns und Einstellungen zur eigenen Zukunft? Wir unterscheiden zwei Quellen: gesellschaftlich-wissenschaftliche (nomotypische) Informationsquellen und erfahrungsbezogene (idiotypische) Quellen über Altern (z.B. innerhalb der Familie). Das Vorhaben analysiert die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Darüber hinaus, wird ein eigenes Internet Portal für Alternsstudien (www.gerotest.de) für experimentelle Fragebogenstudien genutzt. Das Vorhaben zielt auf alters-abhängige Anforderungen im Übergang von der mittleren zur nachberuflichen Lebensphase. Es wird erwartet, dass sich der Wandel wissenschaftlich-gesellschaftlichen Wissens auf zukunftsbezogenes Risikoerleben, Erwartungen und Sorgen auswirkt, wobei die Effekte idiotypischen Alternswissens überwiegen. Mit dem Vorhaben sollen die Mechanismen identifiziert werden, durch die sich wissenschaftlich-gesellschaftliches Alternswissen verbreitet und übersetzt wird in ein persönliches Management der Grenzen des Lebens und alternsbezogener Risiken.
Fragestellung
In der empirischen Alternsforschung ist ungeklärt, wie sich der in der Gesellschaft gestiegene Erkenntnis- und Wissensstand über das Alter und Altern auf persönliche Einstellungen zum eigenen Altern und auf zukunftsbezogenes Verhalten der Menschen im mittleren und höheren Erwachsenenalter auswirken. Dabei sind Einflüsse des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts und sozialen Wandels auf das Altern zu trennen von biografischen (idiotypischen) Quellen der Auseinandersetzung mit Alt-sein und Alt-werden (z.B. von verwandten Angehörigen). Idiotypische Quellen des Wissens über Alter(n) können in Einklang oder im Gegensatz stehen zu den gesellschaftlichen, normativen (nomotypischen) Quellen von Informationen über das Alter und Altern. Eine zentrale Hypothese des Projekts ZAL ist, dass die beiden Wissenssysteme über das Alter und Altern einander wechselseitig in ihrer Wirkung auf alters- und lebenszeitbezogene Entscheidungen, Erwartungen und Wünsche beeinflussen (Lang, Baltes & Wagner, 2007). Bislang ist ungeklärt, wie sich der gesellschaftliche Wandel und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse über Alter und Altern auf die individuellen Einstellungen bezüglich der Risiken und Grenzen des eigenen Alterns (Zukunftserwartung, Sorgen, Risikowahrnehmungen, Vertrauen, etc.) sowie auf zukunftsorientiertes Verhalten (z.B. Entscheidungen für den Heimübertritt, Lebens- und Krankenversicherung) auswirken.
Vorgehen und Datengrundlage
Das Vorhaben kombiniert querschnittliche und longitudinale Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) mit zielgerichteten weiteren Daten(erhebungen) eines vom Erstantragsteller neu eingerichteten Internet Portals für Online Studien zur Entwicklung im Alter (www.gerotest.de).
Der SOEP beruht auf einer jährlich wiederholten Befragung von Haushalten, in der alle erwachsenen Haushaltsmitglieder teilnehmen. Zusätzlich wurde das SOEP mittlerweile bereits fünf Mal durch Aufnahme neuer Teilnehmer aufgefrischt, so dass neben den Längsschnittdaten, auch Daten für Kohorten- und Zeitwandelanalysen verfügbar sind (vgl. Wagner & Schupp, 2002; Wagner, Burkhauser & Behringer, 1993). Um biografische Analysen zu unterstützen werden auch „nicht-originale“ Stichprobenmitglieder (non-original sample members) weiter verfolgt, wie beispielsweise Geschiedene oder Hinterbliebene. Damit erlauben die Daten des SOEP eine einzigartige Analyse von sowohl entwicklungspsychologischen wie sozialwissenschaftlichen Fragestellungen, die sich auf Aspekte der Auseinandersetzung mit altersspezifischen Anforderungen in der Übergangsphase von beruflicher zu nachberuflicher Lebensphase beziehen. Eine nicht zu unterschätzende Besonderheit des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ist, dass für jeden Teilnehmer auch altersbezogenen Erfahrungen anderer Haushaltsmitglieder verfügbar sind. Dies erlaubt eine direkte Schätzung der möglichen Einflüsse der sozialen Einbettung auf persönliche Leitvorstellungen des eigenen Alterns. Darüber hinaus wird der Grad der genetischen Verwandtschaft differenziert und somit die auf genetische Einflüsse zurückführbare gemeinsame Varianz identifiziert. Derartige Möglichkeiten (Familienstudien im Kontext der verhaltensgenetischen Analyse) des SOEP wurden bislang nicht annäherungsweise ausgeschöpft, da die dementsprechende Zusammenarbeit von Sozial-/Wirtschaftswissenschaftlern und Verhaltenswissenschaftlern sehr selten ist.
Die vorhandenen Daten werden ergänzt und ausgeweitet durch experimentelle Untersuchungen, die mit einem neu eingerichteten Internet-Portal für Online-Studien (www.gerotest.de [externer LINK zur Website]) des Instituts für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt werden. Die experimentellen Online-Studien zielen auf Wirkungen gesellschaftlicher Diskurse und wissenschaftlicher Befunde über Alter und Altern auf alters- und lebenszeitbezogene Wünsche, Einstellungen und Verhaltensweisen. Dazu werden mediale Darstellungen zu unterschiedlichen Befunden der Alternsforschung und Szenarien des gesellschaftlich-wissenschaftlich-technischen Alternsdiskurses experimentell aufbereitet und manipuliert. Positive Szenarien umfassen beispielsweise Darstellungen medizinischer Möglichkeiten der Lebensverlängerung, Befunde zur besonderen Produktivität des Alters oder Informationen über die Präventionsmöglichkeit und Therapieerfolge der Demenz. Negative Alterszenarien beziehen sich auf Themen der Rentenkosten, der Pflegebedürftigkeit oder auch zu unaufhaltbaren Alterskrankheiten. Die Experimente zielen auf die Beeinflussbarkeit des persönlichen, idiografischen Alternswissens sowie auf die generelle Wirkung des Alter(n)bildes auf die persönlichen Grenzregime des Lebens (in Hinblick auf Lebensdauer, Vorsorge, Patientenverfügung, Planungen von Pflegebedarf, Investitionen in soziale Teilhabe oder in Fort- und Weiterbildung).
Erwartete Ergebnisse
Zum einen erlauben die Daten des SOEP eine Analyse der längsschnittlichen Veränderungen von Risiko- und Zukunftsperspektiven zwischen 1985 und 2007, etwa im Hinblick auf Bedingungen veränderter Zukunftseinstellungen, Zeitverwendung in produktiven und konsumptiven Tätigkeiten, Versicherungsabschlüsse (z.B. Lebensversicherung, Krankenversicherungen) oder auch den Wandel von Einstellungen bezüglich der zukünftig erwarteten Lebenszufriedenheit. Zum Zweiten werden Studien durchgeführt, die sich den spezifischen Wirkmechanismen widmen, mit denen alters- und alternsbezogene Informationsquellen (wissenschaftliche Befunde, Medien, Normen, etc.) sich auf individuelle Handlungsorientierungen, Hoffnungen, Befürchtungen sowie Zukunfts- und Risikowahrnehmungen auswirken.
Erwartet wird zum einen, dass die seit Jahrzehnten stark gewachsenen Erkenntnisse, Befunde und Konzepte der Alternswissenschaft sich auch zunehmend in den individuellen Sichtweisen, Sorgen, Hoffnungen, Risikoperspektiven und Verhaltensweisen bezogen auf das eigene Altern widerspiegeln. Konkret wird erwartet, dass sich die persönlichen Bilder und Sichtweisen der alternsbezogenen Zukunftsoptionen positiv verändert haben. Zum anderen wird erwartet, dass die individuellen und persönlichen Entwürfe des eigenen Alterns durch konkrete persönliche Erfahrungen mit Alter und Altern, etwa in der Familie oder bezogen auf die eigene Gesundheit, beeinflusst werden. Gesellschaftliche Bilder des Alterns wirken sich demnach nicht direkt auf die persönlichen Lebens- und Zukunftsentwürfe für das eigene Alter aus, wohl aber indirekt und vermittelt über den Einfluss auf idiografische Wissensquellen.
Empirische Befunde der Alternsforschung können zu Über- oder Unterschätzungen der eigenen Möglichkeiten und Grenzen von Selbstbestimmung und Gestaltbarkeit im Alter führen. Erfahrungen in der Familie und spezifische Lebensumstände spielen eine wichtige Rolle bei der Konstruktion von Altersvorstellungen, wobei bislang nicht bekannt ist, wie sich die wissenschaftlichen Befunde über den Alternsprozess auf individuelle Erwartungen an das eigene Alter auswirken. Das Vorhaben erlaubt neue Erkenntnisse darüber, wie idiotypisches Wissen über Altern durch den gesellschaftlichen Wandel und durch mediale Darstellungen des Alters und Alterns beeinflusst wird und wie diese Wissens- und Informationsquellen die individuellen Auseinandersetzung mit Grenzfragen des Alterns (Endlichkeit, Krankheit, Selbstbestimmtheit, Sicherheit, Altersrisiken) leiten.
Kooperationspartner
Prof. Dr. Gert G. Wagner
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin)
ProjektmitarbeiterInnen
- Peter Jaensch, M.Sc.
- Dipl.-Psych. Dennis John
- Dipl.-Sozialw. Bernd Rager
- Dipl.-Psych. Margund Rohr
- Dr. Jenny Wagner
Kontakt
Prof. Dr. Frieder R. Lang
Tel.: 09131 / 85-26526
E-Mail: psycho@geronto.uni-erlangen.de